Nun ist es also soweit: Ich habe allen Plunder aussortiert, der Kleiderschrank besitzt einen wunderschönen, genau für mich passenden Inhalt, die Wohnung ist aufgeräumt (und dieser Zustand lässt sich Dank weniger Krempel leichter erreichen), ich habe eine aufgeräumte, schöne To Do-Liste (auch in meinem Kopf) und ich habe nicht mehr das Bedürfnis, meinen Besitz mit dem der anderen zu vergleichen. Ich bin also fertig mit minimalisieren.
Bin ich das wirklich? Wenn ja, was kommt jetzt? Was mache ich nun in meiner leeren Wohnung ohne Ziele (und ohne Freunde, weil die meinen neuen Lebensstil nicht toll finden)? Nein, jetzt mal ehrlich. Nach dem Minimalisieren fühlt man sich definitiv wohler UND hat noch alle seine Freunde. Und wenn man es klug anstellt, hallt die Wohnung auch nicht und man hat auch noch eine gute Menge Kleidung, die man wirklich, wirklich gern trägt. Man muss ja nicht alles weggeben, nur um nur noch 100 Dinge zu besitzen…
Dein Besitz ist nicht konstant
Trotzdem überlegt man sich natürlich, ob man für immer fertig minimalisiert hat. Kurze Antwort: Nein, denn der Besitz ist ja nichts statisches, auch wenn viele Lifestyle-Blogs einem das weismachen wollen (wir nicht, haha!). Besitz verändert sich – eigentlich sogar täglich, auch wenn wir nichts kaufen oder aussortieren. Essen wird gegessen (oder verkommt), Kleidung wird getragen (und nutzt sich dementsprechend ab), Möbel werden ebenfalls gebraucht. Der eigene Besitz ist also keine Konstante, sondern wandelt sich ständig. Ob man etwas behält, ob einem etwas nach 5 Jahren noch immer gefällt oder ob man nach 10 Jahren die Technik von heute noch nutzen kann, das weiß keiner so genau. Man konsumiert nicht nur, indem man Geld ausgibt, sondern wird beschenkt oder findet etwas in einem Umsonst-Laden oder auf einer Wiese (Kastanienmännchen, anyone?). Insofern: keine Panik, minimalisieren kannst du immer, so lange du lebst!
So viel freie Zeit
Anders verhält es sich vielleicht mit der neu gewonnenen Freizeit, die du nun hast, weil du nicht mehr shoppen gehst oder überlegst, was du anziehen sollst. Wenn du vorher 10 Minuten pro Tag vor deinem Kleiderschrank standest, dann macht das im Jahr 10 x 365 = 3650 Minuten. Das sind knapp 61 Stunden im Jahr, die du für dich zur Verfügung hast! Für die arbeitende Bevölkerung: stell dir vor, du hast 2,5 Urlaubstage mehr pro Jahr. Verrückt, oder? Und das nur, weil du nun weißt, was du anziehen wirst. Tag für Tag. Stell dir vor, was du schon allein mit dieser Zeit machst! Wenn du dazu noch die Zeit rechnest, die dir nicht mehr verloren geht, weil du Dinge suchst oder deine Wohnung (und die Staubfänger) sauberhalten musst – oder die Zeit, die du damit verbringst, dich um deine Sachen zu kümmern, sobald sie in deinem Besitz sind. Ja, denn Besitz bedeutet Verantwortung. So ist das nun mal.
Und diese freie Zeit, die sich da so ansammelt, die kannst du nun für deine Hobbies nutzen – oder für deine Freunde, deinen Partner, für dich selbst oder deine ultimativen Pläne für die Weltherrschaft. Was auch immer dich glücklich macht. Denn Zeit ist dein wichtigstes Gut. Nutze sie!
So viel Geld
Ach, und Geld hast du auch noch übrig? Sag bloß! Du warst nicht mehr unnötig shoppen, hast dir nicht von irgendeiner Werbung einreden lassen, dass du jetzt Artikel X und Sache Y brauchst, sondern hast dich an deinen realen Bedürfnissen orientiert? Und plötzlich ist am Ende des Monats noch Geld übrig – und nicht andersrum. Was man damit alles machen kann… neue Klamotten kaufen, Dekokram – nein, Moment! Das brauchst du ja alles gar nicht mehr, weil du so verdammt zufrieden mit dem bist, was du schon hast! Also, umdenken ist angesagt.
Hast du Schulden? (Auch BAföG gehört dazu! Und Raten für ein Auto. Oder was auch immer du unbedingt auf Pump kaufen musstest.) Dann zahle sie ab, aber pronto! Solange du Schulden hast, sollte dir jede andere monetäre Ausgabe, die nicht zur Erhaltung deiner vitalen Grundfunktionen beiträgt, körperlich sehr weh tun. Wirklich.
Dann kannst du beginnen, dein Geld zu sparen. Suche dir eine möglichst lukrative Geldanlage aus und schau zu, wie dein Guthaben wächst! Je mehr du hast, desto mehr Zinsen gibt es. Es macht Spaß zu sehen, wie dein Geld für dich arbeitet. Probiere es aus!
Und natürlich kannst du dein Geld spenden. Was du nicht brauchst (und du brauchst weit weniger als du denkst!), können andere sehr gut gebrauchen. Unterstütze zum Beispiel soziale Projekte in deiner Nachbarschaft oder schaue auf Givewell.org, wo du dein Geld am besten spenden kannst und wo damit wirklich etwas erreicht wird.
Zusammenfassung
Wenn euch dieser Beitrag zu lang war und ihr lieber bunte Bilder mit hübschen Menschen schaut, dann könnt ihr euch „Life After Decluttering: Now What?“ von der bezaubernden, Englisch sprechenden Coco ansehen. Sie fasst nämlich alles nochmal richtig schön zusammen :)
Seid ihr „fertig“ mit minimalisieren? Wie geht es euch damit und was macht ihr so mit eurer Zeit?
Hallo Dori,
ich glaube, so richtig fertig wird man damit nicht, eben weil sich Besitz ständig verändert. Allerdings gibt es meines Erachtens einen Punkt, an dem man im grünen Bereich mit sich selbst ist und nicht zwingend weiter minimieren muss. Die Aufrechterhaltung des Ganzen erfordert dann natürlich weiterhin unsere Aufmerksamkeit. Sonst können wir schnell wieder „zumüllen“.
Alles Liebe,
Philipp
Ich glaube ich werde nie fertig mit minimalisieren sein, auch wenn ich schon seit fünf Jahren daran arbeite. Einerseits hat Philipp recht, wenn man nicht höllisch aufpasst, sammeln sich viele unnötige Dinge einfach wieder an. Andererseits verändert sich meine Version von Minimalismus auch regelmäßig. Ich habe jetzt erst Dinge aussortiert, von denen ich vor einem Jahr noch behauptet habe, dass ich sie dringend „brauche.“ Wer weiß wie mein Leben und meine Minimalismusphilosophie in einem Jahr aussieht? Daher werde ich glaube ich nie fertig sein.