Das Wort „Pflicht“ in den sozialen Verpflichtungen wirkt, wenn man genauer darüber nachdenkt, abschreckend. In einer Zeit in der man eh immer zu viel zu tun hat und alles zu kurz kommt, kann man eigentlich nicht noch mehr Pflichten gebrauchen, oder?
Szenario 1: Alltagstrott ohne erkennbare Höhepunkte
So eine typische Woche wird für den Otto-Normal-Arbeitnehmer nur selten von spannungsgeladenen Aktionen erhellt – meist läuft doch alles irgendwie gleich ab. Durch wiederholte Tätigkeiten erschafft man Gewohnheiten und aus Gewohnheiten wird ein Lebensstil. Plant man hier nicht früh genug Zeit für Freunde, die Beziehung und sich selbst ein, wird das ganze ziemlich unsozial.
Aus diesem Trott heraus kann es wie eine herkuleische Aufgabe anmuten, das Smartphone in die Hand zu nehmen und seine Bekanntschaften oder Freunde zu fragen, wann und wo man sich mal wieder treffen will. Da muss man in den Kalender sehen (der meist nichts wichtiges enthält) und Konversation mit mehreren Parteien betreiben und sich mit vielen Leuten einigen – und am Ende sagen dann doch wieder alle ab, bis auf denjenigen, auf den man sich in der Runde am wenigsten gefreut hat. Ja, das klingt hart – aber sein wir mal ehrlich: genau so ist es doch meistens.
Analyse
Es kann zur unschönen Pflicht werden, sich sozial einzubringen, sei es im Freundeskreis, auf der Arbeit oder vielleicht auch im Rahmen der Beziehung. Man hat eigentlich gerade genug mit sich selbst zu tun, hat keine Lust, sich mit anderen Leuten zu beschäftigen und die einzige lohnenswerte soziale Interaktion scheint das „Hallo“ und „Tschüss“ zur Bäckersfrau beim Brotkauf.
Die hier beschriebene Situation ist extrem, doch wenn man ehrlich ist, kennt man sie aus dem eigenen Leben.
Szenario 2: Zu viel des Guten
Der Terminkalender ist gut gefüllt: nach der Betriebsfeier am Mittwoch steht Donnerstag Chorprobe und am Freitag das wöchentliche Feierabendbierchen mit den Freunden aus der Stadt auf dem Plan. Nächste Woche muss man dann noch etwas für den Geburtstag der Kollegin vorbereiten (welche man eigentlich gar nicht sooo leiden kann) und abends war noch ein Telefongespräch mit einer Freundin ausgemacht. Am nächsten Abend dann Skypen mit den Kommilitonen von früher.
Es gibt immer etwas zu tun und die schönen Erlebnisse im Kreise von Kollegen, Freunden und Verwandten werden getrübt vom Stress und der Hektik, all diese Termine und „Stelldicheins“ innerhelb von 2,5 Tagen „abzuarbeiten“. Worauf hat man überhaupt Lust? Man kann doch nicht einfach „nein“ sagen. Was denken denn dann die anderen? Der einen Freundin habe ich zugesagt, da kann ich die andere doch nicht versetzen. Und auf der Arbeit schenkt JEDER der Kollegin eine Kleinigkeit. Dann sollte ich das auch tun – wie stehe ich denn sonst da?
Analyse
Sozialer Overload – auch das kommt uns bekannt vor. Man will sich eigentlich nur mit einer Freundin treffen, doch wenn man schon gerade dabei ist, kann man ja auch noch die andere Freundin anschreiben oder die drei Kommilitonen von früher, von denen man eigentlich auch wissen will, wie es ihnen geht. Außerdem soll man sich ja auch künstlerisch ausleben und deshalb geht’s zur Chor- und Gitarrenprobe.
Wenn man sich zu viel vornimmt und überall dabei sein will, kann man auch von FOMO (Fear Of Missing Out) sprechen. Gerade in unserem Zeitalter der sozialen Netzwerke, ständigem Online-sein und globaler Vernetzung kann man schnell das Gefühl haben, viel zu wenig mit seinem Leben anzustellen, wie zu wenig Leute zu kennen und generell viel zu wenig von allem zu haben. Was bei materiellen Gütern meist durch den Faktor „Geld“ eingedämmt werden kann (meist unfreiwillig, wenn man sich etwas nicht leisten kann), ist bei sozialen Verpflichtungen nicht so leicht, denn Interesse an Freunden hat man ja eigentlich unendlich. Nur die Zeit ist knapp – und das merkt man allerspätestens, wenn man im Berufsleben angekommen ist und sich werktags Freizeit irgendwann zwischen 17 und 21 Uhr abspielt.
Soziale Verpflichtungen – das Zauberwort ist „Balance“
Das Mittelmaß und die „perfekte Menge“ zwischen diesen beiden Extremen zu finden ist nicht leicht. Es ist viel zu einfach, sich auf eines der Extreme zuzubewegen und dort zu bleiben.
Tipps für die Balance
Folgende Tipps können dir helfen, wieder etwas Balance zu finden, sodass die sozialen Verpflichtungen weniger Pflicht sind.
Für Szenario 1
- Neue Freundschaften knüpfen: Ist man in der Situation, dass jegliche soziale Kontakte eine unangenehme Pflicht sind, kann es helfen, nach neuen Freunden Ausschau zu halten. Manchmal reicht es schon, mit einem Kollegen aus einer anderen Abteilung Mittagessen zu gehen oder einem Nachbar einen Guten Tag zu wünschen – und schon kommt man ins Gespräch. Eine kleine Veränderung der Orte, die man sonst im Alltag aufsucht, kann bewirken, dass man plötzlich völlig andere Menschen um sich hat. Manchmal ist es genau das, was einem fehlt, um sozial wieder aktiver zu werden.
- Inspiration holen: Wenn dir der Alltagstrott den Geist vernebelt und du dich schwach und antriebslos fühlst, hole dir Inspiration von anderen. Schau dir zum Beispiel auf den vielfältigen Portalen im Internet (z. B. Pinterest oder Instagram) oder in Zeitschriften an, was andere so treiben. Lass dich begeistern von Basteleien oder dem Kochen mit einfachen Zutaten. Vielleicht lässt du dich ja auch vom Ehrgeiz anderer anstacheln und beginnst mit einem Projekt, was du schon immer tun wolltest.
- Erkenne, wer dir wichtig ist: Wenn du dich überfordert fühlst, dich bei Freunden zu melden, fühlst du dich in Wirklichkeit vielleicht von der schieren Anzahl von Kontakten erschlagen, welche du „unterhalten“ musst. Versuche selektiv zu sein und melde dich erstmal nur bei den Menschen, die dir sehr wichtig sind. Stell dir vor, wie sehr sie sich freuen, wenn du dich meldest. Wenn man erstmal angefangen hat, dann meldet man sich gleich noch bei einem Rudel anderer Freunde ;)
Für Szenario 2
- Soziale Verpflichtungen minimalisieren: Sei knallhart und sortiere aus, was dir nicht gefällt oder dich sogar unglücklich macht. Spielst du eigentlich gar nicht gern Querflöte? Oder ist der Yogakurs doch nicht so gut wie deine Freundin gesagt hat? Dann löse dich von den Pflichten, die nicht (mehr) zu dir passen.
- Nur noch das machen, worauf man Lust hat: Das klingt ein bisschen radikal, aber sieh es als Übung – nimm dir ein Wochenende und tue nur das, worauf du Lust hast. Sechs Stunden lang Netflix-Marathon? Kurz mit der Mutti telefonieren? Sich einfach mal nicht bei Facebook einloggen und lieber die ganze Zeit bei Instagram online sein? Probiere aus, wie es sich anfühlt, einfach mal so zu entscheiden, wie du dich fühlst.
- Sich nicht gezwungen fühlen, zu einer Veranstaltung zu gehen: Der Geburtstag einer Freundin steht an? Oder eine Veranstaltung in der Stadt, welcher du zugesagt hast? Du hast aber einfach absolut keine Lust mehr, hinzugehen? Sage die entsprechenden Treffen ab. Sei freundlich und höflich, aber bestimmt. Nur weil du für dich und dein Wohlergehen entscheidest, musst du kein Arschloch sein.
- Im Freundeskreis „aufräumen“: Sind dir deine Freundinnen fremd geworden und magst du dich lieber mit anderen Menschen umgeben? Sind die Kumpels nur noch seltsam und besprechen Themen, die dir nicht mehr liegen? Manchmal muss man ehrlich zu sich selbst sein und die Bekanntschaften und Freundschaften, die man unterhält, aussortieren. Je weniger Zeit man durch Beruf, eigene Familie oder andere Verpflichtungen hat, desto selektiver geht man mit seiner Zeit um.